Samstag, 18. August 2012

Andere Länder, andere Sitten

Nachdem wir nunmehr seit einer Woche im Lande weilen, ist es doch an der Zeit, mal die Erfahrungen unseres England-Besuchs niederzuschreiben. Abgesehen von den Fish-and-Chips-Fähre-Linksverkehr-mit-Wohnwagen-Geschichten, haben wir auch über das englische Agility einiges zu berichten.



Die Idee, in England zu starten, stammt von Andrea Deeg, die das Ganze schon zweimal gemacht hat. Da wir diesen Start auch noch mit einem Seminar bei Jaakko und Janita verbinden konnten, gab es eigentlich nicht viel zu überlegen.

Doch wie zur Hölle startet man in England? Dass wir dort nicht einfach mit unserer Leistungskarte vorstellig werden und "hello, it's us" sagen konnte, hatte uns Andrea schnell eingeschärft.

Authority to compete

Wir brauchten also erst mal eine authority to compete. Die bestellt man mit einem Formblatt, das man sich beim Kennel Club herunterladen kann. Man löhnt ein paar Pfund mit seiner Visa oder Master, packt die Ahnentafel dazu und einige Zeit später liefert die Royal Mail eine nette rosa Urkunde für jeden Hund, auf der außer dem Namen des Hundes noch seine atc-Nummer stand. Pflichtschuldigst deutsch haben wir die Dinger natürlich nach England mitgeschleift, sehen wollte sie vor Ort aber niemand...

Meldung

Der erste Schritt war also getan. Die nächste unüberwindbare Hürde bestand nun darin, das Kennel Club International Festival auch zu melden. Zum Glück gibt's webmelden und O.M.A. auch in England, es heißt nur Internet Show Service, kurz ISS. Account erstellen, atc-Nummer angeben und melden. Ganz einfach eigentlich, wenn man nur wüsste, in welcher der sieben angegebenen Klassen man als Ausländer startet. Andrea sei Dank erfuhren wir schnell, dass man als deutscher A3er diskriminierender- und ganz sicher europarechtswidrigerweise "nur" in Grade 6 starten darf und sich den Aufstieg in Grade 7 erst erkämpfen muss.

Verwirrend ist das Ganze trotzdem immer noch, denn wer weiß schon, ob man mal so einfach ein "British Open Combined Agilty Combined 6/7" oder einen "KC Nations Cup" melden darf oder kann, ohne ausgelacht zu werden. Man kann und man kann alles andere melden, wo die 6 vorkommt. Juchu!

Das Schöne an ISS ist auch, dass man in diesem Portal gleich sein Meldegeld bezahlt. Praktische Einrichtung, die allerdings nur dann volle Wirkung entfaltet, wenn man - so wie beim KC Festival - seinen Startplatz mit der Meldung schon sicher hat.

Vor Ort

Als deutscher Team-Leader bei der EO hatte ich natürlich in Schweden Kontakt zu einigen Nationen, darunter auch zu den Engländern. Von daher waren mir die Rahmendaten schon bekannt. 2.500 Starter, 700 Wohnwägen und 16 Ringe (in Worten: zweitausendfünfhundert, siebenhundert und sechzehn).



Bereits bei der Einfahrt auf das Gelände des Rockingham Castle sahen wir, dass die Dimension absolut gewaltig war. Leider kann man vom Boden aus die Dimension von 16 Ringen nur schlecht einfangen. Nachdem wir leider unseren Helikopter, den wir sonst immer dabei haben, vergessen hatten, konnten wir keine Übersichtsaufnahme anfertigen.

Erstaunlich war auch die logistische Leistung. Ursprünglich sollte das Festival in Kelmarsh Hall stattfinden. Weil der Boden dort aber wegen einer vorherigen Veranstaltung nicht mehr agilitytauglich war, teilte uns Nic Jones, die das Seminar organisiert hatte, am Dienstag mit, dass man das Festival verschoben hatte. Das Riesending wurde in der Woche vorher einfach mal woanders hinverfrachtet. Hut ab!

Das Gelände

Das neue Gelände war super. Einen Vergleich können wir natürlich nicht ziehen, da wir das alte nicht kannten. Augenberichten zufolge soll es noch besser gewesen sein, was wir jedoch mit Nichtwissen bestreiten. Rockingham Castle war super!




Wobei super natürlich subjektiv ist. Wiese mähen ist was für Anfänger und mit dem Aufsammeln von Schafhinterlassenschaften hält man sich logischerweise auch nicht auf. Strom für die Camper gibt's nicht, dazu hätte man aber wohl aber auch das nächste AKW anzapfen müssen. Wir fanden's einfach nur lässig.

Bei unserer Anreise am Donnerstag stellte sich dann noch die Frage, wie man vor Ort meldet. Die Antwort ist einfach: gar nicht. Auch Impfpasskontrolle braucht niemand. Der englische Hund ist per se gesund und unsere ja sowieso, dafür sorgt schon die Kontrolle auf der Fähre.

Dann ging's aber an's Eingemachte. Wann zur Hölle ist man in welchen Ring dran????

Der Start

Zum Glück gibt's für jeden Teilnehmer die Ringcard und für uns unsere Teammanager Pia und Bill Glover. Juchu! Die Ringcard kann man sich vor der Veranstaltung ausdrucken oder bekommt sie vor Ort in einem Umschlag, wir haben uns beides gesichert. Die Ringcard ist der persönliche Plan des Teilnehmers mit jede Hund. Dort stehen alle Klassen, die man gemeldet hat mit der Ringnummer, der Startnummer, die man in diesem Lauf hat und der Zahl der gesamten Teilnehmer, damit man einschätzen kann, wann man dran ist. Die Klassen, die morgens schon aufgebaut werden, sind extra gekennzeichnet.

Morgens hat man dann zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr Zeit, sich alles Klassen anzusehen, die eben schon aufgebaut sind.


Das waren dann schon mal schlappe vier Parcours (am Sonntag), die man sich merken durfte. Bei zweien musste man zwischen drin schauen, wann sie aufgebaut werden. Das ist aber kein Problem. Erstens gibt es ständig Durchsagen, zweitens ist es ja fast langweilig, wenn man nur auf zwei Ringe Acht geben muss.

Der Start selbst ist oberwitzig. Man geht zum Einweiser und bucht sich ein, der schickt einen dann typisch englisch in die Schlange, die auf den Start wartet und mitnichten nach Startnummer sortiert ist. Die Startnummer ist als nur ein ungefährer Anhaltspunkt, ob man am Anfang oder am Ende dran ist. Ist man an der Reihe wird man nach seiner Startnummer gefragt. Der zweite Einweiser hat ein Buch mit einem Zettel für jeden Starter. Diesen Zettel reißt er raus und gibt ihn dem Schreiber, der wiederum den Start mit einem netten "When you're ready, Thomas!" freigibt.

Auf den Zettel kommt das Ergebnis des Laufs, der Zettel wird dahin sortiert, wo man rausgekommen ist, Computer Fehlanzeige, es gibt ja keinen Strom, die Zeitmessung läuft mit Batterie. Nachdem wir uns am Samstag auch noch als Helfer einteilen haben lassen, konnten wir den Ablauf gut verfolgen. Es war einfach nur gut.

Auch das Helfen an sich war stressfrei unsere Ringmanager Bill und Pia gaben uns den notwendigen Freiraum, um selbst zu starten. Auch ohne feste Einteilung lief es immer rund.

Parcoursgestaltung

Die Parcoursgestaltung war für uns kontinentale schon etwas strange. Der Engländer an sich hat keine Höchstabstände einzuhalten. 10 - 12 m auf das nächste Gerät sind daher kein Problem. Auch wenn der Parcoursverlauf an sich meistens etwas einfacher war als hierzulande, machten uns diese großen Abstände schon auch zu schaffen.

Dann gibt es noch so tolle Gimmicks wie dieses hier:


Unsere Hunde behaupteten felsenfest, das Ding zu kennen und noch nie etwas anderes gemacht zu haben, als da durchzuspringen. Wieso auch nicht?

Ach, zwei mal das gleiche Tunnelloch hintereinander? Kein Problem, warum auch?


Im Hintergrund sieht man auch andere nette Idee. Der Slalom kommt zweimal dran, dafür sind es nur jeweils sechs Stangen. Das ist irgendwie witzig und sieht dann so aus:


Dass das erste und das letzte Gerät kein Sprung sein muss, ist eh klar.

Und noch ein importwürdige Besonderheit gibt es. Der Richter zeigt das Dis mit der Kopf-ab-Geste und nicht mit gekreuzten Armen. Nachdem ich Vorsitzender des Vereins für klare Ansagen bin, gefällt mir so was natürlich ganz besonders.

Siegerehrung

Also es gab für jeden Lauf eine Siegerehrung. Nicht, dass besonders viel Leute dagewesen wären, aber immerhin hat sie stattgefunden. Und einmal haben wir es sogar bei den "normalen" Läufen mitbekommen. Bei den Team- und Finalläufen waren wir dann natürlich schon da, der Ausländeranteil lag wegen des Nations Cup bei geschätzten 90 %.

Eine Siegerehrung deutscher Prägung bei 7 Klassen und teilweise Schleifen bis zu Platz 21 hätte wohl auch den Geduldigsten auf die Palme gebracht.

England war also eine Reise wert. Absolut wiederholungswürdig!!!



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